Seit 2009 gibt das Staatssekretariat für Wirtschaft SECO bei der Hochschule Luzern unregelmäßig Erhebungen in Auftrag, um sich Einblick in die Finanzierungssituation von Unternehmen mit bis zu 250 Mitarbeitern zu verschaffen. Ende November 2021 erschien nun die fünfte dieser Untersuchungen. Titel: „Studie zur Finanzierung der KMU in der Schweiz 2021“. Wie schon 2016, nach dem „Franken-Schock“, war erneut eine externe Krise der Anlass. Sie hat das Potenzial, das Rückgrat der Schweizer Wirtschaft nicht nur eine Zeitlang konjunkturell stark zu belasten, sondern einige Branchen strukturell zu beschädigen. Die Studie gibt Hinweise, wie sich die Finanzierungsmöglichkeiten der KMU verbessern ließen, und verdient bei allen Beachtung, die das Schicksal der Corona-Verlierer nicht gleichgültig lässt.
Die teilnehmenden Unternehmen wurden repräsentativ nach Sektoren, Branchen, Größe und Kanton ausgewählt. Rund 2.700 Unternehmen ab 2 Vollzeitäquivalenten (VZÄ) und bis zu 250 VZÄ nahmen sich die Zeit, um über 40 Fragen zu beantworten.
Die Daten beziehen sich auf den Zeitraum zwischen April und Juni 2021. In dieser Phase waren die Covid19-Kredite bereits bei den Unternehmen angekommen und vielerorts wuchs die Hoffnung, dass dank der beginnenden Impfkampagnen sich die Pandemie im Sommer dem Ende zuneigen würde. Seitdem haben sich bei einigen Unternehmen die Aussichten eventuell weiter verfinstert, bei anderen aufgehellt. Gleichwohl dürften die zentralen Erkenntnisse der Studie ihre Richtigkeit behalten.
Das mit der Hochschule Luzern verbundene Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ stellt Verantwortlichen in Politik, Banken und Wirtschaft einen Kranz an Daten zur Verfügung, der die derzeitigen Finanzierungsgewohnheiten der KMU erkennen lässt und auch mit denen in anderen Ländern und der EU vergleicht. Drei Punkte halten wir für besonders interessant.
Die Corona-Krise hat insgesamt zu einer starken Eintrübung in der Schweizer Wirtschaft geführt. Anders als in früheren Großkrisen hat Corona allerdings auch viele kleingewerbliche Dienstleistungen, Handwerker, Hotels und Restaurants stark getroffen, zum Teil stärker als manche Konzerne. Nicht wenige haben existenzielle Umsatzschocks erlebt wie noch nie. In den Daten lässt sich das daran erkennen, dass 49 Prozent aller befragten Unternehmen Umsatzeinbussen verzeichneten. Dies bedeutet gegenüber 2016 eine Verschlechterung um rund die Hälfte. Die Folgen bestehen nicht zuletzt in großen Verunsicherungen, wie es in Zukunft weitergeht.
Fast logisch ist es daher, dass auch die Anzahl der «entmutigten Unternehmen» 2021 deutlich höher liegt als 2016. Sie hat sich nahezu verdoppelt. Diese Kategorie definiert sich durch zwei Merkmale: a) erkennbare Kreditbedürftigkeit, b) fehlende Zuversicht, dass ein Finanzierungsantrag bei einem Kreditinstitut bewilligt werden könnte.
Dabei zeigen sich je nach Region und Branche deutliche Unterschiede. Doch nur wenige Bereiche sind von dem Phänomen schwächer berührt. Demnach schnitten besser ab: zum Ersten Unternehmen, die älter als 20 Jahre sind, zum Zweiten die Handelsbranche und zum Dritten die Dienstleistungen 1.
Den Zahlen zufolge gibt es derzeit in der Schweiz mindestens 16.000 Unternehmen, die annehmen, von Bankfinanzierungen abgeschnitten zu sein. Ein Vergleich mit Phasen einer guten Konjunktur findet sich zwar nicht in der Studie, man kann aber aus dem Vergleich mit der ebenfalls angespannten Lage von 2016 folgern, dass in normalen Zeiten mindestens die Hälfte dieser Unternehmen keine Finanzierungssorgen gehabt hätte.
Erstaunlich ist die gestiegene Entmutigung auch vor dem Hintergrund der Covid19-Kredite. Politik, Banken und Anbieter alternativer Finanzierungsformen sollten darüber nachdenken, wie diesen Unternehmen zu helfen ist.
In der Schweiz galt immer: Je kleiner die Unternehmen, desto seltener nehmen sie Finanzierungen von außen in Anspruch. Selbst in der Krise von 2016 standen noch 62 Prozent der Firmen ganz und gar auf eigenen finanziellen Füßen. Jetzt ist der Anteil der nur eigenfinanzierten KMU auf 37 Prozent gesunken. Ein scharfer Einbruch von ca. minus 40 Prozent.
Woher stammt das extern geliehene Geld? Nicht vermehrt von den Banken, sondern oft aus dem persönlichen Umfeld. Es handelt sich um private Darlehen von Freunden, Familienangehörigen oder Aktionären, zudem finden sich auch mehr Leasingsverträge in den Bilanzen als vor 5 Jahren.
Dies zeigt, dass für die KMU Kredite von Nicht-Banken sowie alternative Kreditangebote weiterhin eine relativ hohe Bedeutung haben. Auch die Covid19-Kredite kann man zu den Alternativen rechnen, da bei diesen Krediten die Überprüfung von Sicherheiten entfiel und lediglich die Anspruchsberechtigung festgestellt werden musste. 30 Prozent der KMU haben einen Covid19-Kredit aufgenommen. Was passiert mit den Finanzierungen, wenn ein Unternehmen die Rückzahlungspläne nicht einhalten kann? Auch hier stellt sich wieder die Frage, ob für die Schweizer KMU neue Kreditangebote entwickelt werden sollten, die besser zu ihrem Bedarf und zu der Struktur ihrer Sicherheiten passen würden.
Die Studie zeigt, dass die Schweizer KMU ein ganz eigenes Profil aufweisen, was Bankbeziehungen und Finanzierungsgewohnheiten angehen. Sie unterscheidet sich deutlich von größeren Gesellschaften oder Konzernen und auch von vergleichbaren Unternehmen in der EU. Lässt man den Covid19-Kredit beiseite, sind 2021 immer noch Kontokorrent, Leasing und Privatdarlehen ihre wichtigsten Quellen für zusätzliche Liquidität. Ein Kreditvertrag mit einer Bank nutzen hingegen derzeit nur knapp 10 Prozent der KMU.
Besonders spärlich sieht es schließlich bei den Kreditformen aus, die sich auf den tatsächlichen Geschäftsbetrieb beziehen, wie Lieferantenkredit, Exportkredit oder Factoring. Weniger als 3 Prozent nutzen derzeit solche Optionen, weniger als die KMU in der EU.
Die Studie fasst die Situation so zusammen:
Auch alternative Finanzierungsformen wie Lieferantenkredite oder Factoring sind in der Schweiz im Vergleich zum Ausland weniger verbreitet. Ein Blick auf die verschiedenen Finanzierungsquellen zeigt hingegen, dass hierzulande öfter Kapital von Nichtbanken zu KMU fliesst.
Man könnte darüber nachdenken, ob den Schweizer KMU eventuell spezifischere Finanzierungsinstrumente helfen könnten. Die Aversion der KMU gegen Bankabhängigkeiten bremst, wie wir wissen, auch das Interesse am klassischen Forderungsoutsourcing, weil dadurch oft persönlich geprägte Kundenbeziehungen, meist ein zentrales Asset der KMU, in Hände geraten, die auf die Sensibilität dieser Beziehungen keine Rücksicht nehmen. KMU scheinen Finanzierungen zu bedürfen, die sich flexibel dem Geschäftsgang anpassen und Gestaltungsspielräume erweitern, nicht einengen. Unsere eigenen kreditorengestützten Finanzierungsangebote sind aus genau diesem Grund bei unseren KMU-Kunden beliebt.
Die verdienstvolle Studie Instituts für Finanzdienstleistungen Zug IFZ sollte nicht zu schnell abgeheftet werden. Die über 60 Graphiken auf mehr als 90 Seiten enthalten Hinweise, wo die Politik tätig werden könnte, wenn die segensreichen Covid19-Kredite wieder aus dem Spiel genommen werden. Die Statistiken lassen einige Trends erkennen und ermöglichen manche Vermutung. Es wäre aus unserer Sicht aber ratsam, mehr direkt mit den KMU zu reden, um so neue, spezifischere Finanzierungsinstrumente entwickeln zu können. So wie für große Konzerne institutionelle Investoren eine wichtige Rolle spielen, ist dies für die KMU nicht möglich. Die Studie selbst macht den Vorschlag, künftig eventuell Mobiliarkredite zu ermöglichen, die bislang nicht erlaubt sind.
Viele kleine Unternehmen haben in der Covid-Krise ihre Rücklagen ganz oder teilweise verzehrt, um die Belastungsphase durchzustehen. Alle, die die Schweizer KMU unterstützen können und möchten, sollten sich beizeiten Gedanken machen, was nach den Covid19-Krediten den angeschlagenen Unternehmen hilft, nicht in den Bankrott zu strudeln, sondern wieder kräftig auf die Beine zu kommen.